Giftiges Blut

Giftiges Blut

Nachdem in Frankreich ab 2016 Blutspenden für homosexuelle Männer – im Prinzip – möglich werden, sind es in Luxemburg noch weite Schritte bis zu einer Lockerung der Spenderkriterien. Das Lëtzebuerger Journal hat mich hierzu um einen Kloertext gebeten:

Die EU steht unter anderem für Vielfalt und Gleichberechtigung. Niemand darf aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Was sich schön anhört, sieht in der Realität oft anders aus. Derzeit gibt es beispielsweise in 18 der 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ein komplettes Verbot einer Blutspende durch homosexuelle Männer.

Geschuldet ist diese Ungleichbehandlung vor allem einem Klischeedenken über das Sexualverhalten von Männern, die gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr praktizieren: Schwule hätten ständig wechselnde Partner und würden dabei besonders oft auf schützende Kondome verzichten.

In der Regel werden jedoch alle potenziellen Blutspender in einem Fragebogen gefragt, ob sie bereits als Mann gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr gehabt haben. Für einen Mann, der beispielsweise in einer glücklichen und monogamen Beziehung lebt oder jemand, der vielleicht sogar schon längere Zeit Single ist, ist hier schon Schluss. Man stellt also lieber freiwillig und ehrlich antwortende Menschen unter Generalverdacht und stempelt sie als Risikogruppe ab, anstelle sie nach dem persönlichen Risikoverhalten zu befragen.

In lediglich 6 der 28 EU-Mitgliedsländer gibt es auf dem Gebiet der Blutspende mittlerweile eine komplette Gleichbehandlung zwischen hetero- und homosexuellen Männern. Unter diesen Ländern sind  Portugal, Spanien, Italien, Lettland  und – wer hätte das gedacht – auch konservativere Länder wie Polen und Bulgarien.

Zur Blutspende zuglassen, jedoch erst nach Erfüllung einer sogenannten „Keuschheitsklausel“ sind Schwule in Großbritannien, Schweden, Finnland, Tschechien und Ungarn. In Frankreich und den Niederlanden wird dies ab 2016 auch gelten: Nachdem 2009 ein Franzose vor den EuGH zog und dieser im April 2015 es versäumte, eine klärende Grundlage zum Abbau einer Ungleichbehandlung für die gesamte Europäische Union zu schaffen, löst die französische Regierung nun mit dem Aufheben des Blutspenderverbots nach dem „Mariage pour tous“ ein weiteres Wahlversprechen ein. Allerdings geschieht dies in mehreren Schritten.
So muss der in Frage kommende Blutspender vorerst noch erklären, dass er in den vergangenen 12 Monaten keinen Geschlechtsverkehr mit anderen Männern hatte. Langfristig sollen die Hürden aber komplett fallen.
Einen ähnlichen Weg gehen nächstes Jahr auch die Niederländer. Auch hier sollen Schwule in Zukunft Blut spenden dürfen, ebenfalls erst nach einem Versprechen, die vergangenen 12 Monate keusch verbracht zu haben. Altruismus wird dann doch noch eine Zeit lang mit gewissen Hürden und speziellen Bedingungen bestraft. Eine Gleichbehandlung ist es also noch nicht, aber immerhin schon ein erster Schritt in die richtige Richtung!

In Luxemburg stehe eine solche Änderung jedoch noch nicht auf der Tagesordnung, so der Zuständige Direktor des Transfusionszentrums. Man müsse sich in der nächsten Zeit jedoch einige Gedanken über Konventionen mit unseren Nachbarländern machen. Da jedoch die luxemburgische Gesundheitsministerin Lydia Mutsch bereits vor einem Jahr für ein Umdenken in Richtung „persönliches Risikoverhalten“ geworben hat, sind die Erwartungen hoch, dass sich hier in den nächsten Monaten etwas dahingehend tun wird.

Erschienen im Lëtzebuerger Journal vom 3. Dezember 2015