Kloertext: LGBT-Rechte in der Ukraine – Ein Jahr nach Maidan
Ich wurde vom Journal gebeten, eine in etwa 3000-Zeichen große Übersicht über die aktuelle Situation von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und transidenten Menschen in der Ukraine zu geben. Hier die knappe Zusammenfassung der aktuellen Lage vor den Toren der EU:
Ende November 2013 weigerte sich der damalige Präsident Janukowitsch, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Die Protestmärsche, die in den von der westlichen Presse als Euromaidan bezeichneten Aufständen gipfelten, waren die Folge. Unter den vielen Demonstranten waren auch LGBT-Gruppierungen, welche sich von einer westlich geprägten Zukunft mehr Akzeptanz versprachen. Wie sieht die Ukraine nun ein Jahr später aus?
Vor nicht einmal vier Wochen fand mit dem Molodist Filmfestival eins der wichtigsten Events der ukrainischen Filmbranche statt. Während einer Vorstellung im Rahmen der LGBT-Filmreihe dieses Festivals, kam es zu Krawallen. Das Zhowten-Kino wurde dabei in Brand gesteckt. Zwei Tage später besetzten bewaffnete Uniformierte ein Kino und forderten die sofortige Beendigung der Filmvorführung. Es handelte sich hierbei um Mitglieder des Rechten Sektors, einer paramilitärischen Einheit, welche von der Front in der Ost-Ukraine zurückkamen, sich selbst nun als Helden feiern und in der Hauptstadt für den Erhalt der „nationalen Werte“ kämpfen, notfalls auch mit Gewalt.
Laut LGBT-Organisationen wäre die Zunahme von homophoben Tendenzen und eine erhöhte Gewaltbereitschaft gegenüber dieser Minderheit in den vergangenen 12 Monaten spürbar angestiegen. In den Folgen der Maidan-Bewegung entstand ein Chaos, das sich nun rechte Gruppierungen zunutze machen.
In der von Separatisten ausgerufenen Volksrepublik Donezk unterdessen verbietet man in der im Juli erlassenen Verfassung nunnicht nur „pervertierte Formen des Zusammenlebens gleichen Geschlechts“, man will diese auch gesetzlich verfolgen. Bisher liegen ukrainischen LGBT-Organisationen allerdings noch keine Berichte vor, dass Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung strafrechtlich verfolgt wurden. Es bleibt jedoch zu Befürchten, dass dies nur eine Frage der Zeit sein wird.
In Kiew jedenfalls ist ein Anstieg an Flüchtlingen aus den Ost-Regionen zu verzeichnen. Büroräumlichkeiten von Organisationen müssen momentan als provisorische Zuflucht dienen.
Politische Parteien tun sich im Augenblick ebenfalls recht schwer mit diesem Thema: unter den sechs ins Parlament gewählte Parteien, machen sich Fünf für einen EU- und NATO-Beitritt stark. Allerdings ist es allein die Partei des Präsidenten Poroschenko, die sich für den Kampf gegen die Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und transidenten Menschen einsetzen möchte. Wie ernst dies aber gemeint ist, wird sich noch zeigen. Der Kiewer Bürgermeister, kein geringerer als Vitali Klitschko, hat sich schon dezidiert dagegen ausgesprochen, sich mit seiner Partei UDAR, welche dem Poroschenko-Block angehört, im Kampf für LGBT-Rechte einzusetzen. Die Lage bleibt weiterhin unübersichtlich.